Als Aufstellungsleiter erlebe ich die systemische Aufstellungsarbeit als einen faszinierenden Prozess, der weit über das gesprochene Wort hinausgeht.
Immer wieder begegne ich Phänomenen, die sich mit rein rationalen oder sprachlichen Mitteln kaum erklären lassen. Ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit ist die **transverbale Kommunikation**,
die jenseits der Worte wirkt und tiefe unbewusste Ebenen berührt.
Was verstehe ich unter transverbaler Kommunikation?
Für mich bedeutet transverbale Kommunikation den Austausch, der nicht über die gesprochene Sprache erfolgt. Es ist eine Form der Verständigung, die
über Körpersprache, Emotionen und intuitive Wahrnehmungen abläuft. In einer Aufstellung äußert sich das oft durch das Erleben von Stellvertretern, die plötzlich bestimmte Gefühle oder körperliche
Empfindungen haben, ohne dass sie selbst erklären können, woher diese kommen. Diese Signale nehme ich als Schlüssel zu verborgenen Informationen wahr, die in einem System – sei es eine Familie,
eine Organisation oder ein anderes Beziehungsgeflecht – schlummern.
Die Rolle der transverbalen Kommunikation in meinen Aufstellungen
In den Aufstellungen, die ich leite, spielt transverbale Kommunikation eine zentrale Rolle. Die Teilnehmer treten in Stellvertreterrollen, und
oftberichten sie nach kurzer Zeit von unerwarteten Gefühlen oder Empfindungen. Vielleicht verspürt jemand in der Rolle eines Elternteils plötzlich Druck auf der Brust, Trauer oder ein starkes
Bedürfnis,wegzugehen. Diese nonverbalen Signale nehme ich sehr ernst, denn sie geben mir Aufschluss über die inneren Dynamiken des aufgestellten Systems.
Besonders spannend ist es, wenn mehrere Stellvertreter ähnliche körperliche oder emotionale Reaktionen zeigen, obwohl sie vorher keine Informationen über das System hatten. In diesen Momenten
wird das „wissende Feld“, wie wir es in der Aufstellungsarbeit nennen, spürbar. Das ist ein energetisches Feld, das alle relevanten Informationen des Systems enthält. Über die transverbale
Kommunikation treten die Stellvertreter in Kontakt mit diesem Feld, ohne dass sie es bewusst steuern.
Auf welche Ebenen der transverbalen Kommunikation achte ich?
In meiner Arbeit richte ich meine Aufmerksamkeit auf verschiedene Ebenen, die alle wichtige Informationen über das System liefern
können:
1. **Körperempfindungen**: Immer wieder beschreiben Stellvertreter physische Empfindungen wie Schwere, Enge, Unruhe oder Wärme. Diese Signale versuche ich in den Kontext der Aufstellung
einzuordnen. Manchmal hilft es schon, die Stellvertreter nach ihrer Körperwahrnehmung zu fragen, um den nächsten Schritt in der Aufstellung zu erkennen.
2. **Emotionen**: Oft entstehen in den Stellvertretern starke Gefühle, wie Liebe, Trauer oder Wut. Ich habe gelernt, dass diese Emotionen oft ein direkter Ausdruck der systemischen Verbindungen
sind. Diese Gefühle haben eine Botschaft und weisen uns den Weg zu den versteckten Konflikten oder ungeheilten Wunden im System.
3. **Intuition**: Es gibt Momente, in denen ich selbst eine starke innere Eingebung spüre, wie die Aufstellung weitergehen sollte. Diese Intuition basiert auf der Verbindung, die ich zum Feld und
den Stellvertretern habe. Ich folge oft diesen Impulsen, auch wenn sie zunächst unlogisch erscheinen. Häufig stellt sich heraus, dass genau diese intuitiven Schritte Lösungen ans Licht bringen.
Das „wissende Feld“ und seine transverbale Wirkung
Das „wissende Feld“ ist ein faszinierendes Phänomen. Immer wieder erlebe ich, dass es in einer Aufstellung zu spontanen Erkenntnissen kommt, die
keinerder Anwesenden rational erklären kann. Stellvertreter wissen plötzlich Dinge oder spüren Zusammenhänge, die ihnen nicht bewusst zugänglich waren. Ich sehe das als Ausdruck der
transverbalenKommunikation, die über das individuelle Wissen der Teilnehmer hinausgeht.
Meine Aufgabe als Aufstellungsleiter besteht darin, dieses Feld zu lesen und zu deuten. Dabei höre ich weniger auf das, was gesagt wird, sondern achte verstärkt auf die nonverbalen Signale: Wie
stehen die Stellvertreter zueinander? Welche Körpersprache zeigen sie? Welche Emotionen sind spürbar? Diese Beobachtungen helfen mir, die unbewussten Dynamiken zu entschlüsseln und Lösungen
sichtbar zu machen.
Meine Rolle als Aufstellungsleiter
Als Aufstellungsleiter bin ich nicht nur Moderator, sondern auch Übersetzer der transverbalen Kommunikation. Ich nehme die subtilen Signale auf, die
im Raum entstehen, und gebe ihnen eine Stimme. Oft sind es kleine Veränderungen – eine aufgerichtete Körperhaltung, ein entlasteter Atemzug oder eine gelöste Spannung –, die mir zeigen, dass sich
das System in Richtung einer Lösung bewegt.
Ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit ist es, dabei nicht nur auf die Stellvertreter zu hören, sondern auch auf mich selbst. Meine eigene Resonanz auf die Situation gibt mir oft wertvolle Hinweise
darauf, was im System passiert. Manchmal erlebe ich während einer Aufstellung selbst ein Gefühl von Unruhe oder Druck, das mir zeigt, dass ich noch genauer hinsehen muss. Diese innere Wahrnehmung
ist ein wesentlicher Bestandteil der transverbalen Kommunikation.
Transverbale Kommunikation als Schlüssel zur Heilung
Als Aufstellungsleiter vertraue ich auf die transverbale Kommunikation, um tiefere Ebenen der menschlichen Erfahrung zu erreichen. In der
systemischen Aufstellungsarbeit zeigt sich, dass das Wesentliche oft nicht über Worte vermittelt wird, sondern über subtile Signale, die wir spüren und wahrnehmen. Indem ich mich als Leiter auf
diese Kommunikation einlasse, eröffne ich einen Raum, in dem das Verborgene ans Licht kommen kann – und wo wirkliche Heilung möglich wird.
Fazit
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die transverbale Kommunikation in der Aufstellungsarbeit oft der Schlüssel ist, um tiefe Heilungsprozesse
anzustoßen. Indem wir das Ungesagte, das Unsichtbare, das Unbewusste sichtbar und spürbar machen, können wir Blockaden lösen, die in der reinen verbalen Auseinandersetzung verborgen geblieben
wären. Die Teilnehmer erkennen plötzlich Verbindungen oder Konflikte, die ihnen vorher nicht bewusst waren, und finden so neue Perspektiven und Lösungen.
Es ist für mich jedes Mal beeindruckend zu sehen, wie die transverbale Kommunikation die tiefsten Schichten des Bewusstseins berührt und heilende Veränderungen ermöglicht. Worte allein können oft
nicht ausdrücken, was in einer Aufstellung passiert – es ist die nonverbale, intuitive Ebene, die den wahren Wandel ermöglicht.
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